Olaf Scholz und Friedrich Merz sind zwei Politiker, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Der Wahlkampf war kurz, hat aber die Kanzlerkandidaten von SPD und Union verändert.
Wahlkampf als Bühne: Der eine kämpft für bessere Umfragewerte, der andere gegen alte Fehler. Es geht um ihre Wandlung, Rivalität und den Kampf um Deutschlands Zukunft.18.02.2025 | 43:40 min
Es ist eine Antwort, die scheinbar tief aus der Seele des Herausforderers kommt. Auf dem Weg zur Debatte und zur Abstimmung über die Vertrauensfrage wird Friedrich Merz gefragt, ob dieser 16. Dezember eine Genugtuung für ihn sei? “Ach, ‘ne Erleichterung, dass es jetzt wirklich bald zu Ende geht. Es macht wirklich keinen Spaß mehr”, antwortet der CDU-Parteivorsitzende kurz vor dem Moment, in dem sich der Weg für ihn in das Kanzleramt öffnen könnte.
Olaf Scholz kommt an diesem Morgen mit seiner Frau, Britta Ernst. Sie sei die “wichtigste Person” und eine der “schärfsten Kritikerin” in seinem Leben, wird er später sagen. Für ihn ist dieser Tag das Eingeständnis, dass er als Kanzler der Ampel gescheitert ist. Doch Scholz will ab jetzt nicht mehr zurückschauen, sondern schaltet ab diesem Tag in den Wahlkampfmodus.
Wahlkämpfe seien ein großartiges Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern, so Scholz. “Und ich hab ja bisher auch Glück gehabt mit Wahlkämpfen und erfolgreich abgeschnitten, da, wo ich angetreten bin”, sagt er.
Zur Bundestagswahl 2025 stellen die Parteien gleich fünf Kanzlerkandidaten auf. Warum machen sie das, auch wenn ihre Kandidaten kaum Chancen haben?05.02.2025 | 1:14 min
Die Kandidatenfrage
Dass Scholz der Kandidat der SPD ist, ist in der Partei nicht unumstritten. Boris Pistorius hat die deutlich besseren Umfragewerte. Berichte, dass Parteichef Lars Klingbeil seinen noch amtierenden Kanzler im Dezember zum Rückzug drängte, will der nicht kommentieren. Es sei doch völlig richtig, dass man für einen “kurzen Moment innehalte in so einer Situation”, so Klingbeil. Ein Dementi ist das nicht. Aber Scholz setzte sich durch. Die SPD setzt auf das Bewährte.
In der Union hatten sie die Kandidatenfragen schon im Spätsommer entschieden. Friedrich Merz ist der unumstrittene Herausforderer des Kanzlers. Auch seine Umfrage-Werte sind gegenüber seinem Kontrahenten Markus Söder, dem CSU-Vorsitzenden, deutlich schlechter. Aber Merz ist halt der Vorsitzende der deutlich größeren Partei. “Historisch gesehen kann ein CSUler quasi nur einspringen, wenn es bei der CDU schwierig ist”, kommentiert Söder diese Entscheidung. Er musste einsehen, dass anders als drei Jahre zuvor Friedrich Merz als CDU-Vorsitzender fest im Sattel sitzt.
Für die Doku “Kanzler und Herausforderer – Scholz und Merz im Wahlkampf” haben die ZDF-Hauptstadtkorrespondenten Mathis Feldhoff und Andreas Huppert die beiden Kandidaten seit der Vertrauensfrage im Dezember begleitet. Sehen Sie die Doku am 18. Februar um 20:15 Uhr im ZDF oder jederzeit in der ZDF-Mediathek.
Ein Bündnis von Union und Grünen könnte nach der Bundestagswahl möglich sein. In drei Ländern regiert bereits Schwarz-Grün. Ist die Koalition auch ein Modell für den Bund?08.12.2024 | 2:49 min
Die Koalitionsfrage in der CDU
Bis Ende Januar plätscherte der Wahlkampf zunächst recht ereignislos dahin. Friedrich Merz musste sich innerparteilich mit einer Debatte um Schwarz-Grün herumschlagen. Söder und die CSU sind kategorisch gegen eine mögliche Koalition mit der Partei von Robert Habeck und machten das deutlich, wo immer es ging. “Ich bin ein grundlegender Skeptiker von dem schwarz-grünen Modell. Und zwar einfach deswegen, weil es sich in der Praxis nicht bestätigt hat”, gibt er zu Protokoll.
Merz will eigentlich gar nicht über mögliche Konstellationen nach der Bundestagswahl nachdenken.
Wir führen keinen Koalitionswahlkampf, weder für eine Koalition noch gegen eine Koalition.
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Friedrich Merz, Unions-Kanzlerkandidat
So versuchte der Unions-Kandidat die für ihn unangenehme Debatte abzubiegen.
Ein “trauriger Tag für die Demokratie”, so Olaf Scholz nach der Debatte um das Zustrombegrenzungsgesetz. Mit extremen Rechten zusammenzuarbeiten sei keine kleine Sache, so Scholz.31.01.2025 | 6:28 min
Der “Tabubruch” der Union
Der Anschlag in Aschaffenburg, bei dem ein ausreisepflichtiger Asylbewerber ein Kind und einem Mann ersticht, änderte alles. Bei der SPD musste man sich plötzlich dem Thema Migration zuwenden, das man bis dato kaum gestreift hatte. Die Sozialdemokraten suchten nach einer Antwort auf die Initiative der Union.
Kompromisslos stellte Friedrich Merz nach dem Anschlag seine Migrationspolitik im Bundestag zur Abstimmung, brachte sogar ein Gesetz ein, mit dem der Nachzug von Flüchtlings-Angehörigen begrenzt werden soll. Nachdem der Versuch scheiterte, eine Lösung mit den Parteien der Mitte zu finden, stimmte die Union mit Teilen der FDP und mit der AfD für das Gesetz. Dass dieses keine Mehrheit fand, ging im anschließenden politischen Getöse fast unter.
In Städten wie Köln, Leipzig und Karlsruhe protestierten am Samstag Tausende gegen Friedrich Merz und die Abstimmung seiner CDU gemeinsam mit der AfD.01.02.2025 | 1:46 min
Tausende Menschen gingen auf die Straße gegen die AfD – und gegen Friedrich Merz. Ab diesem Moment witterte Olaf Scholz eine Chance, indem er fest behauptet, Merz strebe eine Koalition mit der AfD an. Trotz des wiederholten Dementis des CDU-Vorsitzenden.
Der Unterschied
Es folgten vier Wochen eines giftigen Wahlkampfes. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich sprach von “Tabubruch”, weil die Union die gemeinsame Abstimmung mit der AfD zugelassen hat. Das gefährde mögliche Koalitionsgespräche. Das Vertrauen in Merz habe “Kratzer hinterlassen”, so Mützenich. Die Union konterte, man habe nur die Position von CDU und CSU dargestellt. Richtiges werde nicht falsch, wenn die Falschen zustimmen, heißt es von den Konservativen. Eine zwischenzeitliche Nervosität, ob man es überzogen habe, legte sich allerdings bald.
Die von der Union zusammen mit der AfD erzielte Mehrheit im Bundestag ruft Ex-Kanzlerin Merkel auf den Plan: So darf es nicht gehen, macht sie ihren Parteifreunden klar.30.01.2025 | 1:56 min
Auch die Kritik von Angela Merkel, die das Abstimmungsverhalten als “falsch” und “Wortbruch” bezeichnete, hatte keine spürbaren Auswirkungen. Die Umfragewerte der Union blieben stabil.
Stimmung in Deutschland
:Bundestagswahl: So steht es in den Umfragen
Welche Partei führt in den Umfragen zur Bundestagswahl? Wen hätten die Deutschen am liebsten als Kanzler? Welche Koalitionen wären möglich? Die wichtigsten Zahlen im Überblick.
von Robert Meyer
Bei einem Wahlkampftermin im Sauerland sagt Merz: “Die Bevölkerung folgt uns auf diesem Weg, und sie haben anders als viele Sozialdemokraten verstanden, worum es ging und worum es geht: Unterschiede deutlich zu machen, wer in der Migrations- und Einwanderungspolitik wo steht.”
Und in der Tat, das ist in diesem Wahlkampf deutlich geworden wie selten in der Geschichte Deutschlands.